2023-03-13 Mit dem 85 mm F2.8 Tilt Macro will AstrHori zwei Spezial-Objektive in einem liefern. Zum einen ist das Objektiv ein für Vollformat-Kameras geeignetes, langbrennweitiges 1:1 Makro und zum anderen will es ein Tilt-Objektiv für Kameras mit APS-C-Sensor sein. Wie und ob dem chinesischen Hersteller dieser Spagat gelingt, haben wir in diesem Praxis-Test ermittelt. (Harm-Diercks Gronewold)
AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Makro. [Foto: MediaNord]
AstrHori wurde im Jahr 2018 in der chinesischen Technologie-Metropole Shenzhen gegründet und wird in Deutschland über den Importeur B.I.G. in den Fotofachhandel geliefert. In diesem Praxis-Test steht das 85 mm F2.8 Tilt Macro im Mittelpunkt, das mit Objektivanschlüssen für Fujifilm XF, Sony E, L-Mount, Nikon Z und Canon RF etwa 400 Euro kostet. Wir haben für diesen Test eine Sony-E-Variante des 85 mm F2.8 Tilt Macro unter die Lupe genommen. Was das Besondere an einem Tilt-Objektiv ist, erklären wir in einem Fototipp genauer (siehe weiterführende Links).
Das AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro wiegt etwa 750 Gramm und macht einen soliden Eindruck. Das massive Metallgehäuse ist sauber eloxiert und die Neigemechanik bewegt sich ohne Spiel in seiner Führung. Während das Objektiv einen Durchmesser von 63 Millimeter hat, ragt die kubusförmige Neige-Mechanik mit 65 Millimetern Kantenlänge etwas weiter heraus.
Neben der Neigungsänderung lässt sich auch die Neigungsachse per Drehung des Objektivs um die optische Achse ändern. Allerdings kann man sich hier richtig die Finger klemmen. Der Grund dafür ist der oben erwähnte Kubus, der, wenn die Neigungsebene diagonal ist, nur noch etwa acht Millimeter zwischen Objektiv und Handgriff der Sony Alpha 7 III Platz lässt. Dreht man die Neigemechanik in Position, während man die Kamera am Handgriff festhält, kann es deshalb schmerzhaft werden.
Sony Alpha 7 III mit AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro. [Foto: MediaNord]
Ein weiterer Nachteil des geringen Abstandes der Neigemechanik zur Kamera offenbart sich, wenn eine Schnellwechselplatte für ein Stativ genutzt wird. Ist diese Platte nämlich zu lang, dann kann sie so weit nach vorne herausragen, dass die Neigemechanik nicht mehr vorbei passt und eine komplette 360-Grad-Drehung nicht mehr möglich ist.
Das AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro verzichtet auf einen Autofokus und eine automatische Blendeneinstellung. Eine Übertragung der Blenden-Daten oder Brennweite an die Kamera fehlt ebenfalls. Die zwölf Blendenlamellen werden stufenlos über einen straffen, etwa 20 Millimeter breiten, geriffelten Ring an der Objektivfront gesteuert. Zur besseren Übersicht wurden die korrespondierenden Blendenzahlen in den Ring graviert und weiß ausgelegt.
Der Fokusring ist mechanisch mit den Linsenelementen verbunden und ebenfalls geriffelt. Allerdings ist er mit etwa 32 Millimetern deutlich breiter als der Blendenring. Neben dem Fokusabstand in Metern und Fuß hat AstrHori auch die Abbildungsmaßstäbe mit in den Ring graviert und jeweils weiß ausgelegt. Außerdem ist eine Schärfebereichskala kurz vor dem Tilt-Mechanismus untergebracht. Der Fokusring hat einen Drehwinkel von maximal 90 Grad und einen ziemlich hohen Widerstand. Dadurch fühlt sich das Fokussieren sehr präzise an.
Eine weitere Skala mit 20 Segmenten ist auf der Neigungsmechanik untergebracht. Da das Objektiv einen maximalen Neigungswinkel von acht Grad zu jeder Seite besitzt, entspricht jeder Strich etwa 0,8 Grad. An der Neige(Tilt)- und Drehmechanik befindet sich jeweils eine Fixierschraube. Die Neigemechanik ist so konstruiert, dass eine Rändelschraube zur Einstellung des Neigungswinkels genutzt werden muss. Die Fixierschrauben sind zur Sicherung des Neigungs- und Drehbereiches vorgesehen. Leider ist die Fixierschraube für die Drehfunktion so dicht am Objektivbajonett positioniert, dass es bei diagonaler Neigung richtig fummelig wird, eine Fixierung richtig durchzuführen.
Während die Neigung maximal acht Grad zu jeder Seite erreicht, deckt die Drehfunktion 360 Grad ab. Beim Drehen des Objektivs fühlt man etwa alle 22,5 Grad ein winziges haptisches Feedback, das die Positionierung einfacher machen soll. Das Feedback ist sehr zart und vermittelt kein echtes "Einrastgefühl", wie es beispielsweise bei einer traditionellen manuellen Blendeneinstellung in der Fotografie zustande kommt.
Das Gehäuse des AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Makro besteht aus Metall. Durch die wuchtige Neigemechanik ist das Objektiv mit 750 Gramm recht schwer. [Foto: MediaNord]
Mit acht Grad pro Seite lassen sich Fokusebenen verschwenken. Leider kommt es dabei zu Randabdunklungen. [Foto: MediaNord]
Da sowohl der Blenden- als auch Fokusring recht straff sind, muss die Fixierung der Drehung sehr festgezogen werden, damit sich das gesamte Objektiv nicht ungewollt dreht und so die Neigungsebene verschiebt. Das Verdrehen ist nicht nur nervig, sondern kann auch richtig schmerzhaft werden, wenn man die Neigemechanik in Richtung Handgriff verdreht.
Hersteller AstrHori merkt bei den technischen Daten an, dass die Neigefunktion nur für APS-C-Sensoren einsetzbar ist, da sich beim Neigen ansonsten Abschattungen zeigen. Die Aussage des Herstellers bestätigte sich im Test an einer Sony Alpha 7 III. Es kam zu deutlichen horizontalen und vertikalen Abschattungen.
Auch an einem APS-C-Sensor (Sony Alpha 7 III im Super 35 Modus) zeigen sich Abschattungen bei maximaler Neigung. Der Bildkreis ist also auch für diese Sensorgröße zu klein, zumindest wenn man die Neigefunktion maximal ausnutzen möchte. Die Abschattung ist bei kleiner Blendenöffnung klar definiert und sehr störend. Bei großer Blendenöffnung wird der deutlich abgedunkelte Bereich aufgelöst und durch eine sichtbare Randabdunklung ersetzt.
Schade, dass es keine Micro-Four-Thirds-Variante des AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro gibt, daran würde die Neigefunktion mit Sicherheit eine ziemlich gute Figur machen. Die stärkste Neigung, die wir an APS-C ohne Abschattung nutzen konnten, lag auf dem siebenten Strich der Skala und entspricht damit etwa 5,6 Grad.
Bei maximaler Neigung und kleiner Blendenöffnung zeigt sich eine Abdunklung auch bei Einsatz auf einer Kamera mit APS-C-Sensor sehr deutlich. [Foto: MediaNord]
Auch bei offener Blende ist die Abschattung zu sehen. [Foto: MediaNord]
Selbst bei der Einstellung auf den achten Skalenstrich ist eine Abdunklung bei kleiner Blendenöffnung noch sichtbar. [Foto: MediaNord]
Bei offener Blende wirkt die Abschattung räumlich größer, fällt aber nur noch bei homogen ausgeleuchteten Motiven auf oder wenn man genauer hinschaut. [Foto: MediaNord]
In der praktischen Anwendung ist die Neigungsfunktion des AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro schon eher begrenzt nutzbar, immerhin sind Tilt-Objektive hochgradig spezialisierte Vertreter im Objektivfuhrpark. Auch der Einsatz als Werkzeug für die Erzeugung des „Miniatur-Effekts“ funktioniert aufgrund der langen Brennweite von 85 Millimetern nicht so richtig. An einem APS-C-Sensor verkleinert sich der Bildwinkel zusätzlich, so dass er einem Kleinbildäquivalent von etwa 127 Millimetern entspricht; das ist dem Miniatureffekt jedoch noch abträglicher.
Bei Makro-Aufnahmen macht das AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro seine Sache hingegen gut. Wir konnten eine geringste Aufnahmeentfernung von 25 cm ermitteln, was genau dem Wert entspricht, den der Hersteller angibt. Von der Objektivspitze zum Motiv sind allerdings nur noch zwölf Zentimeter übrig, was aber ausreicht, um das Motiv gut auszuleuchten. Der größte Abbildungsmaßstab des AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro beträgt etwa 1:1.
Im Makrobereich ist die Neigefunktion durchaus nützlich. So lässt sich ein leicht schräg liegendes Objekt komplett auf die Fokusebene legen, ohne dass dafür ein unscharfer Hintergrund geopfert werden muss. Mit etwas Einarbeitung geht das Einstellen der Schärfe und das Ermitteln der notwendigen Blende auch recht schnell.
Der optische Aufbau des AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro besteht aus elf Linsen, die in acht Gruppen angeordnet sind. Auf einen Einsatz von asphärischen Linsen und Spezialgläsern verzichtet der chinesische Hersteller. Die Blende besteht, wie bereits erwähnt, aus zwölf Lamellen, die eine kreisrunde Öffnung erzeugen.
Wir haben das AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro einer visuellen Beurteilung der Bildqualität unterzogen. Das Objektiv zeigt sich beim Bokeh beeindruckend gutaussehend. Lichtplättchen "laufen" bei offener Blende fast wie Aquarellfarben ineinander. Spitzlichter werden rund und homogen abgebildet. Auch bei feinen Details sind im Unschärfebereich keine Anzeichen von Artefaktbildung zu erkennen.
Farbsäume zeigen sich bei offener Blende deutlich an starken Kontrastkanten. Wird die Blende geschlossen, so reduzieren sich die Farbsäume zusehends. Eine deutliche Verzeichnung konnten wir bei der Bewertung der Testaufnahmen nicht erkennen, was bei der hohen Brennweite auch nicht sonderlich verwunderlich ist. Bei offener Blende neigen helle Bereiche dazu, etwas „auszublühen“, aber auch das lässt sich mit einem minimalen Schließen der Blende reduzieren und komplett „abschalten“.
Die visuelle Auflösung ist in der Bildmitte und auch am Rand in Ordnung. Auch bei offener Blende macht das AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro seine Sache ziemlich gut. Einen Abfall der visuellen Schärfe konnten wir nicht erkennen.
Das AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro als Vollformat-Objektiv zu bezeichnen, obwohl die Kernfunktion des Neigens vollumfänglich weder bei einem Kleinbild-Sensor noch an einem APS-C-Sensor funktioniert, ist Augenwischerei. Wer ein langbrennweitiges 1:1 Makro für einen relativ geringen Preis sucht, kann zugreifen, wenn man sich nicht an der Neigemechanik stört. Die Neigefunktion ist im Makrobereich eine interessante Alternative zum Fokusstacking. Die Verarbeitung des AstrHori 85 mm F2.8 Tilt Macro ist gut und das Objektiv macht einen soliden Eindruck. Getrübt wird dieser von der fummeligen und schwachen Fixierschraube der Drehmechanik, die in Kombination mit den sehr straffen Einstellringen für Probleme sorgt.
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Die Bildqualität in unseren Tests ermitteln wir seit 2011 mit DXOMARK Analyzer.
Harm-Diercks Gronewold, 51, ist gelernter Fotokaufmann und hat etliche Jahre im Fotofachhandel gearbeitet, bevor er 2005 in die digitalkamera.de-Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Produktdatenbanken, Bildbearbeitung, Fototipps sowie die Berichterstattung über Software und Zubehör. Er ist es auch, der meistens vor der Kamera in unseren Videos zu sehen ist und die Produkte vorführt.